Am Ende des 19. Jahrhunderts (1897) kam eine Zeitschrift auf den Markt, die sich Deutsche Kunst und Dekoration: illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerisches Frauen-Arbeiten nannte (hier zum Digitalisat der Uni Heidelberg). Dass Kunst etwas mit Dekoration und gelungenes Dekorieren etwas mit Kunst zu tun hat, leuchtet wohl jedem ein, der schon einmal eine Ausstellung eingerichtet hat. Mit der Rede vom „Bespielen“ eines Ausstellungsraums versuchen Ausstellungsmacher seit einigen Jahren vom scheinbar profanen Dekorateur zum potentiell namhaften Regisseur einer dramatischen Inszenierung aufzusteigen – jedenfalls halten sie es für einen Aufstieg. Die gängige Rede vom „Dialog“ zwischen Exponaten, die sozusagen im Sichtfeld voneinander platziert sind, wies ja schon etliche Jahre früher in diese Richtung der Expositions-Metaphorik.
Bei einer Ausstellung mit Bildern an den Wänden und plastischen Arbeiten am Boden geht es aber zunächst um Statik und ums Be- oder Verharren, nicht um Dynamik und Handlung. Statt von Dialog möchte ich daher lieber von gemeinsamer gleichzeitiger Präsenz sprechen. Es macht einen großen Unterschied, ob man alleine oder zu zweit oder selbdritt und so weiter real präsent ist. Die Unterschiede, um die es dabei geht, haben nichts mit Rede und Gegenrede zu tun. Durch gemeinsame Real-Präsenz am selben Ort wird ein, wenn man so will, protodialogischer Raum eröffnet, in dem Dialog stattfinden kann aber nicht muss. Die Implikationen des gemeinsamen Da-Seins (wobei es natürlich alles andere als gleichgültig ist, wer mit wem zusammen da ist) reichen tiefer und weiter zurück als die Dreh- und Textbücher nachfolgender Inszenierungen. Insofern kommt „Dekoration“ vor „Drehbuch“, das Casting vor den Anweisungen des Regisseurs. Am Anfang schuf Gott das Setting und war für die Besetzung zuständig, der Teufel machte daraus das Drama, das wir Geschichte nennen.