Stationen im Leben eines Kugel-Paars 2004-2018

Die Eichen-Kugeln als Grabzeichen auf der Landesgartenschau in Kehl 2004.
Kugeldruck-Aktion auf der Künstlermesse Stuttgart 2007.
Kugeldruck-Aktion für die Galerie Angelika Flaig, Kornwestheim.
Nach einer weiteren Kugeldruck-Aktion Ende 2007 in meinem damaligen Atelier in Pfinztal-Berghausen.
Vorläufig letzte Kugeldruck-Aktion 2014.
Die Kugeln von 2004 bzw. 2007 bzw. 2014 im Kontext der Ausstellung HolzBilder 2018: Einen Ausstellungsbereich zum Thema „Falten“ wollte ich haben.

Kugeln einzeln 900,- EUR, zusammen 1.500,- EUR

Es begann dort, wo normalerweise alles endet, nämlich auf dem Friedhof, genauer gesagt: in der Ecke mit den Muster-Gräbern samt Grabzeichen auf der Landesgartenschau in Kehl 2004. Als Mitglied der Landesinnung der Holzbildhauer beteiligte ich mich mit zwei Eichenholz-Kugeln (Durchmesser ca. 40 cm), die als Grabzeichen für ein Urnengrab dienen sollten. Die Gartenschau ging vorüber und die Kugeln rollten zurück ins Atelier. Dass sie einmal für die mögliche Verwendung als Grabzeichen geschaffen worden waren, sah man ihnen nicht an. Auch die Wörter, die man (gewusst wie) darauf lesen konnte, waren kontextuell neutral:

(beginnend am einen Pol der einen Kugel) ADAM HIMMEL TOT OBEN NEU GESTERN LICHT VATE (weiter am einen Pol der anderen Kugel) R KUNST NACHT GEIST FREUDE HOCH KALT LIEBEN (weiter am anderen Pol derselben Kugel) EVA ERDE LEBENDIG UNTEN ALT MORGEN DUNKEL M (weiter am anderen Pol der anderen Kugel) UTTER NATUR TAG LEIB LEID TIEF HEISS HASSEN.

Somit sprach inhaltlich nichts gegen einen Kontext-Wechsel, der zweieinhalb Jahre später vollzogen wurde, indem ich die runden Dinger, die mich immer schon an die Kugel-Köpfe der alten elektrischen Kugelkopf-Schreibmaschinen erinnert hatten, 2007 auf der Künstlermesse in Stuttgart als frei bewegliche rollende Druckstöcke verwendete, indem ich sie in einer Art Performance erst durch Acryl-Farbe und dann über große Papierbögen laufen ließ.

Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg und nichts hemmt den Absatz mehr als die Namenlosigkeit. Hätte ich einen sogenannten Namen gehabt, wären die Drucke weggegangen wie nichts. So erntete ich nur skeptische Bemerkungen von Seiten einiger Kollegen, die in Bezug auf den Kunst-Charakter meines Tuns schwer an der Last ihrer Bedenken trugen.

 

Die Kugeldrucke (insgesamt 12 Stück, entstanden in Stuttgart und Kornwestheim 2007) in der Ausstellung „HolzBilder“ im Info-Center am Karlsruher Hauptfriedhof, Acryl auf Aquarellpapier, 61 x 43 cm, je 30,- EUR

Immerhin wurde die Künstlerin, Kuratorin, Kunstberaterin und Galeristin Angelika Flaig auf mich aufmerksam. Sie lud mich ein, meine Kugeldruck-Aktion anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung in ihrer Galerie in Kornwestheim gegen Zahlung eines Honorars zu wiederholen. Was ich dann ein paar Wochen später, am 11. März 2007, bei strahlendem Sonnenschein gerne tat. Verkauft habe ich von meinen Drucken aber auch da nichts.

Das Jahr endete wie es begonnen hatte, nämlich mit einer dritten Druck-Aktion (70 Unikate in Acryl-Gold und -Silber auf Aquarellpapier 61 x 43 cm)  im Vorfeld einer der damals wie heute beliebten vorweihnachtlichen Atelier-Ausstellungen.

In ihren heutigen Zustand (Mitte 2018) wurden die beiden Kugeln versetzt, als ich 2014 die Gelegenheit zur Teilnahme an einer Gruppen-Ausstellung im Karlsruher Künstlerhaus erhielt. Wenn man Autoreifen runderneuern kann, kann man das auch mit Kunst-Kugeln machen, dachte ich mir und ließ die Kugeln abermals erst durch Farbe, dann über Papier laufen. Da ich zu wissen glaubte, dass die Chance, die dabei entstandenen Drucke zu verkaufen, gleich Null sein würde, warf ich das, was man einen Druck hätte nennen können, anschließend weg und begnügte mich mit dem Resultat der Aktion in Form des neuen Erscheinungsbilds der mittlerweile 10 Jahre alten Globen.

Als ich die Kugeln Anfang 2004 mit der Kettensäge aus einem Eichenstamm heraussägte, legte ich gesteigerten Wert auf einen erweiterten Form-Begriff, bei dem beispielsweise die Form einer Kugel und die Form eines Textes eine hybride formale Einheit bilden sollten. Der schottische Lyriker und Kontext-Künstler Ian Hamilton Finlay fand meine rückhaltlose Zustimmung, wenn er in einem Interview sagte: „Die Menschen denken aber immer, daß das Artefakt das Werk sei, aber das stimmt nicht: Das Werk ist das Artefakt im Kontext. Das Werk ist eine Komposition und kein isoliertes Objekt, sondern ein Objekt mit Bäumen, Blumen, Pflanzen, Wasser und so weiter. Das sollte klar sein, aber jeder richtet seine Kamera immer nur direkt auf das Kunstwerk.“

Vierzehn Jahre später hole ich die verstaubten Artefakte aus ihrer Ecke vor dem Atelier und frage mich, wo die Kontexte geblieben sind. „Das Werk ist das Artefakt im Kontext“ – solche Sätze gefallen mir nach wie vor. Es sind kleine theoretische Pretiosen, Kunst-Stückchen für den geistigen Hochseil-Artisten, den ich gelegentlich immer noch gebe, gut für Reden bei Ausstellungseröffnungen, die zu halten ich ab und zu eingeladen werde. Außerhalb solcher Kontexte neige ich neuerdings wieder dazu, das Werk mit dem Artefakt zu verwechseln. Was sind die verkrusteten, in vielen Farben und auf vielen Formen (runden, eckigen, konkaven, konvexen) schillernden Oberflächen gegen das akademisch penible Herstellen von Bezügen zwischen Sprachlichem und Sprachlichem und Sprachlichem und Nicht-Sprachlichem, Vorhandenem und Herbei-Zitiertem, sinnlich Wahrnehmbarem und mühsam zu Entzifferndem. Anders gesagt: An den Wörtern auf meinen Kugeln, deren bisherige Biographie ich oben skizziert habe, interessiert mich heute nur noch das Wie, ihre materielle Beschaffenheit, ob die Buchstaben, aus denen sie zusammengesetzt sind, rund und rötlich oder rissig und gelb sind. Was diese Zeichen bedeuten, ist mir vollkommen egal, das Artefakt interessiert mich ganz oder ausschnittsweise zunächst und zumeist nur als solches und nicht in irgendwelchen Kontexten, auch und gerade dann nicht, wenn es sich dabei um Beziehungen handelt, die ich selbst einmal meinte herstellen zu müssen. Dazu hier eine Gedankensizze vom 10. Juni 2018.

Last not least ein paar Bilder, die mit der Ausstellung nur insofern etwas zu tun haben, als sie ein Schlaglicht auf den „historischen Kontext“ werfen, in dem die Globen 2004 entstanden sind. Zu den Vorläufern des in der Ausstellung HolzBilder präsentierten Kugel-Paars gehörten die sogenannten Bocksbach-Kugeln – mein Beitrag zu einem Skulpturen-Weg in Pfinztal-Kleinsteinbach, eröffnet im März 2001. Wobei meine sieben Kugeln aus Buchenholz, denen eine Passage aus Peter Sloterdijks Sphären I: Blasen eingeschrieben war, nicht am Weg, sondern im Bach neben dem Weg lagen. Der ortsansässige Body-Builder Jürgen Hüttisch hatte sie nicht ohne Mühe von einer Brücke über den Bach in denselben hineingeworfen. Um das Event besser miterleben zu können, bitte in eines der Bilder klicken.