Die Huchel-Bretter 1997

Heute, 21 Jahre nach den Huchel-Brettern, bin ich der Ansicht, der Schuster sollte bei seinem Leisten und der Koch bei seinem Löffel bleiben. Damals wollte ich das Bildnerische und das Sprachliche irgendwie zusammenbringen  und die Wörter und Sätze einfach ins Bild zu setzen, schien mir das geeignete Verfahren für die Amalgamierung von Gesagtem und Nicht-Sagbarem zu sein.

Das Kunsthaus Guttenberg in Ahrenshoop (das kurz darauf zum Neuen Kunsthaus Ahrenshoop wurde) wollte eine Ausstellung mit bildkünstlerischen Werken zu Gedichten von Peter Huchel machen. Ich bewarb mich mit meinen speziell dafür konzipierten Huchel-Brettern und wurde einer von 20, die die zweifelhafte Ehre hatten, eine Arbeit zur Ausstellung an die Ostsee schaffen zu dürfen. Natürlich hätte ich auf eigene Kosten eine Spedition beauftragen können, doch spielte ich, damit es sich so richtig lohnte, lieber gleich selber den Spediteur. Immerhin lernte ich auf diese Weise einen beinahe traumhaft schönen Ort kennen, der erst seit 7 Jahren Teil der Bundesrepublik war, und davor als das Sylt des Ostens gegolten hatten, wo nicht wenige aus der High-Society der DDR ein Häuschen in Strandnähe besaßen.

Lothar Rumold: Willkommen sind Gäste, die Unkraut lieben, 1997, geschwärzte Esche, ca. 80 x 100 x 30 cm (Höhe x Grundfläche)

1.200,- EUR

Peter Huchel
Unkraut

Auch jetzt, wo der Putz sich beult
und von der Mauer des Hauses blättert,
die Metastasen des Mörtels
in breiten Strängen sichtbar werden,
will ich mit bloßem Finger
nicht schreiben in die porige Wand
die Namen meiner Feinde.

Der rieselnde Schutt ernährt das Unkraut,
Brennesseln, kalkig blaß,
wuchern am rissigen Rand der Terrasse.
Die Kohlenträger, die mich abends
heimlich mit Koks versorgen,
die Körbe schleppen zur Kellerschütte,
sind unachtsam, sie treten
die Nachtkerzen nieder.
Ich richte sie wieder auf.

Willkommen sind Gäste,
die Unkraut lieben,
die nicht scheuen den Steinpfad,
vom Gras überwachsen.

Es kommen keine.

Es kommen Kohlenträger,
sie schütten aus schmutzigen Körben
die schwarze kantige Trauer
der Erde in meinen Keller.