
Lothar Rumold: Die Kronacher Halbkugeln, 2005, Rot-Erle, Durchmesser ca. 30 cm (Es waren einmal 34 Stück, 15 waren zu Beginn der Ausstellung HolzBilder noch vorhanden.) 
Die Vernachlässigung der Fokussierung aufs Werk zugunsten einer Betonung des Kontextuellen (der Lyriker und Kontext-Künstler Ian Hamilton Finlay ging so weit zu behaupten, das Werk sei das Artefakt im Kontext) birgt die Gefahr der Banalisierung und Trivialisierung dessen in sich, was man einmal für das eigentlich Wichtige gehalten hat: das Artefakt im Zentrum der künstlerischen Aktivität. Das Werk im traditionellen Sinn ist dann nichts oder doch nicht viel, das Drumherum beinahe alles.
Die Fokussierung des Schöpfers auf sein Werk ist notwendig, damit das Werk eines wird, das den Namen Werk verdient, anstatt bloßes, wenn auch hervorgehobenes Element eines Systems zu sein. Der Kontext ist etwas für den interpretierenden Hermeneutiker. Man sollte die Sphäre des Werk-Schöpfers und die des Werk-Interpreten nicht amalgamieren. Wer die Interpretation des Werks in dieses einarbeiten will, ist bestrebt, den hermeneutischen Zirkel durch den hermeneutischen Kurzschluss zu ersetzen.
Der entscheidende Qualitätstest für das Artefakt als Werk ist dessen Dekontextualisierung. Der Werkcharakter eines Artefakts nimmt in dem Maße zu, in dem die Zahl der unverzichtbaren relationalen Rechtfertigungen abnimmt. „Wer nur gerechtfertigt leben kann, kann nicht leben“, hat Martin Walser geschrieben. Ein Werk, das nur gerechtfertigt durch nachvollziehbare Bezugnahmen (durch ein System) etwas ist, ist nichts.
Zum Kontext meiner ehemals 34 Kronacher Halbkugeln soll hier nur soviel gesagt werden: Sie entstanden als Beitrag zu einem Holzbildhauersymposium im fränkischen Kronach im Sommer 2005 und enthalten oder transportieren als eine Art Text-Kollektiv ein Gedicht von Ingo Cesaro, der nicht nur der Autor des Gedichts, sondern auch der Initiator und Kurator des Symposiums war. Die 15 hervorgehobenen Zeilen korrespondieren mit den noch vorhandenen 15 Text-Halbkugeln Nr. 9, 11, 12, 13, 16, 19, 20, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 29:
soweitmeinaugeerkenntind
 ieaufgebrocheneerdeunter
 densteinenhatsichderskor
 pionmitnachtschattenzuge
 deckthundertvoegeloderme
 hrschreckenvoneinembauma
 ufdervogellostotwirktind
 erflirrendenhitzesoweitm
 einaugeerkenntallesdeinl
 andeinberggehoertdazuund
 eineameisenstrassediedas
 hauszurunheimlichenburgw
 erdenlaesstzumindestvonw
 estenherimrachenderkatze
 singtdersterbendevogelse
 inallerletztesliedvonder
 sonnevomhitzeflimmernund
 vonschattendochdiekatzel
 auschtdenzikadenschreien
 nachsiehtdiespinnelauern
 imsilbrigennetzsoweitmei
 naugeerkenntfaelltderste
 rbendevogelausdemmaulder
 katzeverstummendiezikade
 nhaeltdiehitzedenatemans
 pieltdiekatzemitdemauffl
 atterndenvogeldruecktihn
 immerwiedermitderpfotein
 denstaubindemeramnachmit
 tagertrinktsoweitmeinaug
 eerkenntwirddietraegever
 rinnendezeitanschattigew
 aendegenageltbevordaslan
 dabfaehrtfahrplanmaessig
P. S.: Wer die oben formulierten Thesen (auch) als Selbstkritik versteht, versteht sie nicht falsch. Ergänzend dazu eine Gedankenskizze, die auch, aber nicht nur, auf die Kronacher oder Cesaro-Halbkugeln Bezug nimmt.
P. P. S.: Ich habe eine 18 Jahre alte Bleistift-Zeichnung gefunden, auf der zu sehen ist, wie ich mir die Präsentation der Halbkugeln schon fünf Jahre vor ihrer Entstehung vorgestellt hatte:

